«Wir haben in Kernpositionen sehr kompetente und engagierte Mitarbeitende.»

Dr. Thomas Eisenring, wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsjahr 2017?

Im grossen Ganzen bin ich zufrieden. Konsolidiert bewegen wir uns in völlig neuen Dimensionen, aber auch nach Minderheiten ist 2017 ein Rekordjahr. Der Wermutstropfen ist, dass ein grosser Teil dieser guten Zahlen aus der Vorwärtsintegration herrührt; das heisst, unser traditionelles Geschäft hat weniger abgeworfen. Gleichzeitig sind diese Zahlen aber auch der Beweis, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.

Was hat Ihnen am Geschäftsjahr 2017 besonders gut oder gar nicht gefallen?

Die Performance von Pharmalys war beeindruckend; HOCHDORF hat den Schritt der Vorwärtsintegration gerade noch rechtzeitig gemacht. Auch Cereals & Ingredients hat sich die perfekte Basis für eine nachhaltige Weiterentwicklung gelegt. Das gleichzeitige Wegbrechen unserer wichtigen Märkte Ägypten und Libyen im ersten Halbjahr sowie die katastrophale Preissituation bei Magermilch und Milchproteinen hätte ich wirklich nicht gebraucht.

Welche spezifischen Herausforderungen fanden sich in den drei Geschäftsbereichen?

Für den Geschäftsbereich Dairy Ingredients war vor allem die unterschiedliche Preisentwicklung mit rekordhohen Preisen für Milchfett und Tiefstpreisen für Milchproteine und Magermilchpulver herausfordernd. Der Bereich Baby Care beschäftigte sich neben dem Wegbrechen der wichtigen Märkte Ägypten und Libyen intensiv mit der Neukunden-Akquisition, um die ab Juni 2018 vorhandenen Produktionskapazitäten rasch füllen zu können. Im Bereich Cereals & Ingredients waren die Erweiterung der Produktionskapazitäten in der Marbacher Ölmühle und die Neugestaltung des Set-ups für die weltweite Vermarktung gesunder Kindernahrung besonders fordernd. Insgesamt hat HOCHDORF seine Aufgaben gut gemeistert.

Was sind aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderungen, denen sich HOCHDORF Swiss Nutrition im Hinblick auf die wachsenden Produktionskapazitäten im Bereich Babynahrung noch stellen muss?

Ich glaube, die grösste Herausforderung ist, die Organisation im gleichen Tempo weiterzu­entwickeln. Nehmen wir das Beispiel Logistik: Hier hat die Organisation früher einen externen Logistikpartner koordinieren müssen. Heute werden eigene Logistikanlagen mit einer Gesamtkapazität von über 13'000 Palettenplätzen mit voll computergesteuerten Systemen in Eigenregie gemanagt. Die Anforderungen an die Organisation sind hier um ein Vielfaches gestiegen.

Des Weiteren verändert sich unsere Kundschaft. Mit 50'000 Tonnen Kapazität ist man eine richtige Nummer im Markt, entsprechend hochkarätige Kundschaft klopft an die Tür. Die Ansprüche dieser Kunden übersteigen diejenigen unserer alten Stammkundschaft teilweise bei weitem.

Bei einer Vollauslastung wird HOCHDORF über 50’000 Tonnen Babynahrung produzieren. Entwickelt sich HOCHDORF hin zu einem Pharmabetrieb?

Wir sind mit dem Bereich Baby Care sehr nahe am Pharmageschäft. Sowohl produktions- wie auch marktseitig bewegen wir uns nahe im Bereich Arzneimittel. Dadurch ergeben sich natürlich auch vertriebsseitig Chancen im pharmanahen Bereich, wie z. B. bei Nahrungsergänzungsmitteln.

HOCHDORF wird aber kein Pharmaunternehmen. Wie wir es in unserer Vision definiert haben, wollen wir ein weltweit agierender, hoch profitabler Nischenanbieter für gesunde Lebensmittel werden. Es gibt in jedem Markt ein Top-Segment, dieses wollen wir besetzen.

In einem Zeitungsartikel war die Rede davon, dass die HOCHDORF-Gruppe zu viele Baustellen habe. Was entgegnen Sie auf solche Vorwürfe?

Na ja, langweilig wird es uns sicher nicht. Es ist aber normal, dass sich im Rahmen eines Transformationsprozesses Baustellen öffnen. Entscheidungen aus der Vergangenheit können sich im Rahmen eines neuen Marktumfeldes oder einer neuen Strategie als problematisch herausstellen. Oder es eröffnen sich neue Möglichkeiten, die angepackt werden müssen. Unternehmensentwicklung ist immer mit Chancen und Risiken verbunden. Wichtig bei allem ist, das Big Picture im Auge zu behalten. Wenn ich den Mehrwert, den wir mit unserer Strategie generieren, den Risiken aus den sogenannten Baustellen gegenüberstelle, sind letztere wirklich kontrollierbar.

Ziel der HOCHDORF-Gruppe ist es, sich bis 2020 zu einem global tätigen, profitablen Nischen-Unternehmen mit Premium-Produkten zu wandeln. In welchem Geschäfts­bereich ist man in diesem Transformationsprozess am weitesten, in welchem am wenigsten fortgeschritten?

Aktuell wird in allen drei Geschäftsbereichen an der Strategieumsetzung gearbeitet. Mit der Mehrheitsbeteiligung an Pharmalys hat der Bereich Baby Care einen wichtigen Schritt gemacht. Dasselbe gilt für den Bereich Cereals & Ingredients mit der Investition in die Marbacher Ölmühle, der Akquisition von Zifru und dem Kauf der Marke Snapz. Schwieriger ist die Umsetzung im Bereich Dairy Ingredients. Aber auch im angestammten Geschäftsbereich ist noch einiges möglich, und mit der Lancierung von Spezialprodukten haben wir hier einen wichtigen Schritt gemacht; letztere werden allerdings in Deutschland produziert. In der Schweiz bleibt die Situation schwierig.

Ist die HOCHDORF-Gruppe als Mehrheitseigentümer der Pharmalys und damit der Marken Primalac und Swisslac im Markt bekannt?

Bei Insidern schon, bei Endkonsumenten eher nicht. Das ist auch nicht das Ziel, denn bei einem Business-to-Consumer-Ansatz steht die Marke im Vordergrund. Schauen Sie sich einmal unsere Marke «Afrikoa» in Südafrika an; dort erkennt man erst auf den zweiten Blick, dass HOCHDORF dahintersteckt, und das ist ganz gut so.

Worin unterscheiden sich die Pharmalys- und die Zifru/Snapz-Akquisition?

Die beiden Transaktionen sind in jeder Hinsicht grundverschieden. Bei Pharmalys handelt es sich um ein hochprofitables Unternehmen in einem bestehenden Kerngeschäft von HOCHDORF. Durch die mehrheitliche Übernahme sind wir auf einen Schlag zum Business-to-Consumer-Player geworden und haben gleichzeitig unsere Margen massiv verbessert; das stellt uns auch auf viel stabilere Füsse. Natürlich sind solche Unternehmen Perlen und deshalb nicht gerade billig.

Bei Snapz und Zifru handelt es sich um kleinere Investitionen, mit dem Ziel, an einem Low Cost Standort (Zittau) günstig zu einem adäquaten Technologie-Portfolio zu gelangen (Zifru). Im Mittelpunkt stand hier die Diversifikation in gesunde Kindernahrung zu weltweit kompetitiven Kosten. Bei Snapz ging es darum, eine in den USA und in UK etablierte Marke zu kaufen, um auch hier mindestens teilweise einen Business-to-Consumer-Ansatz zu verfolgen.

Sowohl Snapz als auch Zifru haben viel Vorarbeit geleistet, es aber aufgrund von Kapitalmangel nie soweit geschafft, wie sie es bei entsprechender Kapitalausstattung hätten schaffen können. Beide Transaktionen waren deshalb relativ günstig und können mit entsprechenden Investitionen in völlig andere Dimensionen gelenkt werden.

Welche Schritte gilt es in der Transaktion Zifru/Snapz als nächstes zu tätigen?

Bei Zifru handelt es sich um ein reines Produktionswerk, das letztlich von der Auslastung lebt. Die Vermarktung steht damit im Mittelpunkt. Ab Mitte Jahr sollten wir sämtliche notwendigen Technologien unter einem Dach vereint haben, um die entsprechenden Produkte produzieren und verpacken zu können.

Auch bei Snapz steht der Vertrieb im Mittelpunkt und man muss die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen. Mittelfristig müssen wir Snapz zur Premiummarke aufbauen und das Vertriebskonzept überarbeiten. Hier ist für mich das Thema «Direct to the Consumer» sehr wichtig. Gesunde Artikel haben es in Supermärkten oft schwer, weil dort nur der Umsatz pro Regalfläche zählt. Meine Vorstellung ist, dass eine Mutter in Zukunft die Zwischenmahlzeiten für ihr Kind direkt für eine ganze Woche im Internet bestellen kann.

Welches sind aus Ihrer Sicht die drei grössten Stärken der HOCHDORF-Gruppe und wie wollen Sie diese weiter ausbauen?

Eine grosse Stärke sind sicher unsere Mitarbeitenden. Wir haben in Kernpositionen sehr kompetente und hoch engagierte Mitarbeitende, die eine grosse Verantwortung tragen. Die Cracks sind in unserer Branche relativ dünn gesät, deshalb nutzen wir beim Recruiting oft das Netzwerk unserer Mitarbeitenden und lassen das HR-Schulbuch im Regal.

Die zweite Stärke sehe ich in unserer unübersehbaren Präsenz in der MEA-Region, die wir mit unserer Mehrheitsbeteiligung an Pharmalys noch zementiert haben. Die MEA-Märkte sind uneinheitlich und komplex; viele Konzerne sind damit überfordert; sie sind somit ein ideales Spielfeld für uns. Wir werden unsere Position in diesen Märkten noch weiter festigen.

Als dritte Stärke führe ich die spezifische Risikobereitschaft auf. HOCHDORF geht als mittelständisches Unternehmen berechenbare Risiken ein. Dies zeigt sich beispielsweise an unserem Projekt «Afrikoa» oder auch an den Investitionen in die Kapazitätserweiterung für Babynahrung in Sulgen. Die entsprechenden Risiken müssen jedoch auf den jeweiligen Geschäftsbereich abgestimmt sein.

Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten Risiken der HOCHDORF-Gruppe und welche Massnahmen werden zu deren Minimierung getroffen?

Für Babys, die nicht gestillt werden, ist Babynahrung die einzige Nahrungsquelle. Entsprechend wichtig ist die Produktqualität. HOCHDORF Babynahrung wird bis zur Auslieferung an unsere Kunden x-fach überprüft und auf verschiedenste Inhaltsstoffe getestet. Auch nach der Auslieferung werden regelmässige Lagertests durchgeführt. Mit dem Ausbau der Babynahrungsproduktion haben wir auch in die Abteilung Qualitätssicherung und in die Qualitätsanalyse investiert. Aber auch die Qualitätsüberprüfung an der Anlage wird regelmässig modernisiert.

Ein erhebliches Risiko sehe ich im divergierenden Verhalten der Marktteilnehmer in der Schweizer Milchindustrie. Hier wird z. B. von offizieller Stelle von Wertstrategien gesprochen, während viele Marktteilnehmer genau das Gegenteil machen. Es scheint z. B. Mode zu sein, dass Produzentenorganisationen sich bei Käsereien engagieren und die Milch über den Export von Billigstkäse «entsorgen» und dabei die Verkäsungszulage kassieren. Auch sind produzentennahe Organisationen als die grössten Preisdrücker bekannt; so wird das nicht funktionieren.

Wir werden für die Premiumprodukte unsere eigene Milchversorgung sicherstellen. Im Industriebereich werden wir dann wohl mit den Preisen unserer Mitbewerber mitgehen müssen, mit dem entsprechenden Einfluss auf den Milchpreis, den wir hier bezahlen können.

Wie präsentiert sich die HOCHDORF-Gruppe in fünf Jahren?

2023 wird HOCHDORF hoffentlich insgesamt 50′000 Tonnen Babynahrung produzieren. Das würde bedeuten, dass die vorhandenen Anlagen mehr oder weniger unter Volllast produzieren. Gleichzeitig werden wir mehr als die Hälfte dieser Menge unter eigenen Marken verkaufen.

Cereals & Ingredients wird sich mit ihren Produkten im Nischenbereich der gesunden Snacks für Kinder und Erwachsene etabliert haben. Auch in diesem Geschäftsbereich werden wir Produkte unter eigener Marke verkaufen – in ausgewählten Märkten wie auch im E-Commerce.

Der Anteil der «Commodity»-Produkte im Geschäftsbereich Dairy Ingredients wird sich bis 2023 wohl deutlich verringern. HOCHDORF ist bis dahin im Markt für seine Spezialpulver bekannt. In der Schweiz werden die Produktionskapazitäten der HOCHDORF-Gruppe deshalb nur noch in geringem Ausmass für die Milchregulierung im Frühjahr zur Verfügung stehen.

Dr. Thomas Eisenring, wir bedanken uns für das ausführliche Interview.