Rückblick und Ausblick
Wichtige Weichen gestellt
Im ersten Halbjahr 2022 wurden im Sinne der strategischen Fokussierung unternehmensintern wie extern wichtige Weichen gestellt und Schlüsselpositionen neu besetzt. Ende Januar 2022 hat Ralph Siegl die Funktion des CEO und Delegierten des Verwaltungsrats übernommen. Der Verwaltungsrat erachtet diese Doppelfunktion in der gegenwärtig äusserst anspruchsvollen Lage als sehr wirksam und sinnvoll. Die Erweiterung der Geschäftsleitung um die zwei Fachbereiche «Verkauf und Marketing» (Leitung: Gerina Eberl-Hancock, Chief Revenue Officer) sowie «Innovation, Research & Development» (Leitung: Lukas Hartmann, Chief Innovation Officer) zum 1. Mai 2022 war im Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen in diesen Bereichen ein weiterer wichtiger Schritt. Die neue Geschäftsleitung legte den Fokus nebst Verbesserungen der kommerziellen Bedingungen auf weitere Massnahmen der Prozess-Effizienz, auf die Überprüfung und Neugestaltung der Einkaufspolitik und des Working Capital Managements sowie auf die Professionalisierung verschiedener Kernprozesse im Personalwesen und in der Produktionsplanung. Die neue Führung hat entschieden, die angekündigte Verlagerung von zwei Produktionsstandorten (Hochdorf und Sulgen) auf einen Produktionsstandort (Sulgen) zeitlich nach hinten zu verschieben. Dies mit dem Ziel, kurzfristig sämtliche Ressourcen auf die Verbesserung des Kapitaleinsatzes, die Komplexitätsreduktion und die produktive Nutzung der am Standort Hochdorf vorhandenen Produktionsanlagen zu legen. Dieser Schritt schliesst schrittweise Massnahmen zur Fokussierung auf Sulgen aus der Perspektive der operativen Optimierung nicht aus.
Milch: gefragtes Gut
Eine weitere wichtige Komponente für das operative Ergebnis der HOCHDORF-Gruppe ist der Schweizer Milchpreis. Dieser entwickelt sich seit Jahren nur in eine Richtung: nämlich nach oben. Seit 2018 ist der Preis für reguläre (nicht Bio-)Milch um 11 Prozent gestiegen. Konkret ist der Milchpreis im April 2022 um 5 Rappen pro Kilogramm angehoben worden, im Juli sind die Biomilchpreise um weitere 7 Rappen gestiegen. Zusammen mit dem starken Schweizer Franken und globalen Inflationstendenzen führt dies im Export – trotz der Nachfolgelösung zum «Schoggigesetz» – zu Herausforderungen in der Preisakzeptanz der internationalen Kunden. Gleichzeitig fliesst derzeit viel Milch in die Käseproduktion, was die Verfügbarkeit der benötigten Milchmengen für die Pulverproduktion stark beschränkt. All dies sind Gründe, welche die HOCHDORF-Gruppe als Technologieunternehmen in ihrer «Food for Life» Strategie bestärken: die Abhängigkeit vom Rohstoff Milch verringern und den langfristigen Ernährungstrends zu pflanzlichen Alternativen Rechnung tragen.
Weltwirtschaftslage verteuert Rohstoffe
Im ersten Halbjahr 2022 konnte die HOCHDORF-Gruppe weitere wichtige Weichen zur finanziellen Stabilität und zur strategischen Transformation stellen. Das wirtschaftliche Umfeld erschwerte die Bedingungen jedoch massiv. Nachdem bereits im letzten Geschäftsjahr die Pandemie die operative Entwicklung negativ beeinflusste, setzte sich dieser Trend im ersten Halbjahr 2022 fort. Der Krieg in der Ukraine, aber auch die Pandemiemassnahmen in China verteuerten wichtige Grundmaterialien der Produktion und beeinflussten die zeitgerechte Verfügbarkeit. Gleichzeitig stiegen die Preise für Energie, Verpackungsmaterial und für die Logistik massiv.
Operatives Ergebnis wie erwartet negativ
Auf der Basis des operativ negativen Ergebnisses Ende 2021 hat die Verschärfung der Rahmenbedingungen im ersten Halbjahr 2022 zu erwartet zusätzlich negativen Effekten geführt. Dank Sofortmassnahmen konnte die Bruttomarge trotz allem gehalten werden. Preisverhandlungen und Vertragsanpassungen standen im ersten Halbjahr im Fokus, konnten aber bislang nur das Ergebnis im Bereich Baby Care positiv beeinflussen. Einige für HOCHDORF derzeit margenschwache vertragliche Vereinbarungen laufen erst Ende 2022 bzw. 2023 aus. Hier werden mit Kunden pragmatische Lösungen gesucht, um die angespannte Liquiditätssituation bestmöglichst zu entlasten. Das Segment Food Solutions trug mit einem Umsatz von CHF 118.3 Mio. (plus 5.2% gegenüber 2021) zum Gesamtergebnis bei, das Segment Baby Care mit CHF 27.4 Mio. war mit -1.6 Prozent auf Vorjahresniveau. Neben dem erfolgreichen Start eines White Label Produkts im Bereich Ziegenmilchpulver waren die Produktinnovationen von einer grossen Zahl neuer Rezepturen sowie einiger veganer Varianten im Bereich Baby Care geprägt (siehe auch: Segmentsberichte / Research & Innovation). Der betriebswirtschaftliche Fokus des neuen Managements liegt dabei neu nicht nur auf Umsatzzielen, sondern stellt die Bruttomarge deutlich in den Fokus.
Die interne Kostendisziplin ist dank des Projekts Optima, welches bereits seit zwei Jahren läuft, hoch. Die HOCHDORF-Gruppe sieht sich mit steigenden Energiekosten konfrontiert: im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 sind sie 69.9 Prozent höher. Zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber in einer herausfordernden Transformationsphase geht HOCHDORF künftig neue Wege und plant für die Kadermitarbeitenden ein Vergütungsprogramm, das stärker auf die quantitative Zielerreichung und die nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens ausgerichtet ist. Das sogenannte LTI (Long Term Incentive) Programm orientiert sich an den gängigen Industriestandards und soll per 1.1.2023 eingeführt werden.
Innovations- und Industriepartnerschaften aufgegleist
Seit März 2022 und als Folge einer ausgeweiteten Zielgruppenansprache und Kommunikationsarbeit verzeichnet HOCHDORF eine deutliche Zunahme bei Anfragen und Sondierungen für Technologie- und Produktpartnerschaften. Die künftig verstärkte Zusammenarbeit mit einem der grössten Schweizer Milchverarbeiter und Käseproduzenten Emmi schafft hierbei ebenfalls neue Potentiale. Bestehende Grosskunden zeigen Interesse an Innovationen wie dem veganen Milchpulverersatz, zum Beispiel für den Einsatz in Schokolade. Das «Whey Competence Centre» in Sulgen, wo HOCHDORF als einziger Hersteller in der Schweiz flüssige Molke zu hochwertigen Protein- und Laktoseprodukten verarbeitet, nimmt ebenfalls erfreulich Fahrt auf. Als wichtiger Inhaltsstoff in Proteinshakes, Sportler- und Ergänzungsnahrung durchläuft Molke derzeit einen Imagewandel, den HOCHDORF mitgestaltet.
Ausblick: zweites Halbjahr 2022 – Liquiditätsmanagement und Transformation im Fokus
Die finanzielle Handlungsfähigkeit und Stabilität sicherzustellen sowie die konsequente Weiterführung der operativen Korrekturmassnahmen haben für die HOCHDORF-Gruppe im zweiten Halbjahr absolute Priorität. Der Austausch mit Finanzpartnern und Aktionären wird fortgeführt. In dem Masse, wie es bestehenden Aktionären nicht möglich ist, diese Transformationsphase mit zusätzlichem Kapital zu stützen, müssen alternative Finanzierungsoptionen geprüft werden. Hier erhofft sich HOCHDORF nicht zuletzt auch durch die Erweiterung auf neue Marktsegmente wie Spezialnahrung für Erwachsene, Molkenpulverkonzentrate und alternative Proteine neue Impulse am Kapitalmarkt. Das Unternehmen wird die Präsenz an Kapitalmarktmessen wie der Investora und anderen Plattformen verstärken. Intensive Vertragsverhandlungen mit bestehenden Lieferanten und Kunden werden auch das zweite Halbjahr prägen. Damit wird die Bruttomarge deutlich und nachhaltig gestärkt. In Kombination mit der verschärften Weltwirtschaftslage und den Folgen für Rohstoff-, Energie- und Logistikpreise sowie der Energieverfügbarkeit rechnet die HOCHDORF-Gruppe mit einem herausfordernden zweiten Halbjahr und einem Ergebnis 2022, welches die unternommenen Anstrengungen zur Transformation noch nicht in Gänze abbilden wird. Bei Versorgungsengpässen mit Gas hat das Unternehmen am Standort Hochdorf die Möglichkeit, auf Öl umzusteigen. Für den Standort Sulgen werden Optionen geprüft, inwiefern und wie schnell eine Umstellung auf Öl oder Flüssiggas möglich wäre.