«HOCHDORF wird zum globalen Nischenplayer im Premiumsegment»
Dr. Thomas Eisenring, das Geschäftsjahr 2015 stand im Zeichen der Euro-Mindestkurs-Aufgabe durch die Schweizer Nationalbank und des internationalen Milchpreiszerfalls. Wie hat sich die HOCHDORF-Gruppe in diesem Umfeld geschlagen?
Die Aufgabe des Euro-Mindestkurses haben wir durch die sofortige Einleitung geeigneter Massnahmen einigermassen gut überstanden; wir haben allerdings einen Grosskunden verloren, was aber vor dem Hintergrund unserer knappen Kapazität zu verkraften war. Was natürlich geblieben ist, sind die Währungsverluste auf den Beständen. Den internationalen Milchpreiszerfall haben wir v. a. in Deutschland gespürt; hier haben wir allerdings das Glück, dass wir kaum feste Milchabnahmeverträge haben, sondern die Rohstoffe über den Spotmarkt beschaffen. Der Schaden hielt sich so einigermassen in Grenzen.
Wie sind Sie mit dem in diesem Umfeld erzielten finanziellen Ergebnis zufrieden? Und: Welches sind die wichtigsten Faktoren, die zu diesem Ergebnis geführt haben?
Vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen in 2015 und unserem aktuellen Geschäftsmodell muss man zufrieden sein. Die Preisstabilität im Bereich Baby Care bei gleichzeitig tieferen Rohstoffpreisen sowie die Anpassung der Milchpreise im Bereich Dairy Ingredients sehe ich als Haupttreiber. Negativer Einfluss kam sicher aus der Milchsituation in Deutschland.
Welches waren in Kürze die jeweils spezifischen Herausforderungen in den drei Geschäftsbereichen Dairy Ingredients, Baby Care sowie Cereals & Ingredients?
Im Bereich Dairy Ingredients ging es hauptsächlich darum, unsere Position in der Schweiz zu verteidigen und für die sich aufgrund des SNB-Entscheides anbahnende riesige Schoggigesetzlücke eine Lösung zu finden.
Im Bereich Baby Care mussten wir aus der vorhandenen begrenzten Kapazität das Maximum herauskitzeln. Wir haben so ziemlich alle Register gezogen, um aus unseren Anlagen das Maximum herauszuholen.
Bei den Cereals & Ingredients stand die Integration der neu akquirierten Marbacher Ölmühle im Mittelpunkt. Ein weiterer Schwerpunkt bestand in der Entwicklung des neuen Produktportfolios für den Bereich Kid’s Food.
Stichwort Effizienzsteigerung in der Produktion: Von welchen Projekten erwarten Sie im laufenden Geschäftsjahr Resultatverbesserungen?
Kosteneffizienz ist bei uns immer ein Thema. Aktuell läuft ein Projekt in unserem Werk in Prenzlau, bei welchem wir einen siebenstelligen Betrag herausholen wollen. Weitere signifikante Verbesserungen versprechen wir uns von der Straffung der Supply Chain und unserer Investition in neue Kapazitäten am Standort Hochdorf.
Im Bereich Dairy Ingredients sind heute vier Produktionswerke zusammengefasst, die in drei verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Umfeldern aktiv sind. Welche Synergien können trotzdem genutzt werden?
Grundsätzlich muss jedes Werk für sich profitabel sein. Synergien ergeben sich v. a. aus übergreifenden Kapazitätsoptimierungen und der Optimierung von Koppelprodukten. So können z. B. in der Milchhochsaison gewisse Produkte im Veredelungsverkehr in Deutschland hergestellt werden, wenn in der Schweiz die Kapazitäten knapp sind. Auch gibt es Synergien zwischen den Werken; so fällt z. B. bei der Proteinproduktion in Litauen Rahm als Koppelprodukt an, der in Deutschland als Rohstoff für die Butterproduktion eingesetzt werden kann.
Wechseln wir zum Geschäftsbereich Cereals & Ingredients. Auch hier galt es, 2015 ein Werk zu integrieren. Welche Synergien zwischen dem Standort in der Schweiz und jenem in Deutschland können bereits genutzt werden?
Synergien können dadurch genutzt werden, dass administrative Tätigkeiten zusammengelegt werden konnten; auch konnte nicht genutztes Equipment aus der Schweiz nach Marbach verlagert werden. Grundsätzlich wurde das Werk in Marbach aber deshalb gekauft, weil die zukünftige Expansion in den Bereich Kid’s Food und die Akquisition zusätzlicher Aufträge im Bereich Weizenkeime aus der Schweiz kaum möglich sind. Die Produktionskosten in Marbach sind im Vergleich zur Schweiz günstiger.
Am Standort Hochdorf soll die Kapazität erweitert werden. Wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten und welche wertschöpfungssteigernden Produkte werden mit der zusätzlichen Milch hergestellt?
Das Projekt wird Anfang 2017 abgeschlossen sein und alleine durch die Energieeinsparungen rund 500’000 Schweizer Franken an Ersparnissen bringen. Produktseitig werden wir über unser Standardsortiment im Bereich Dairy Ingredients einen reinen Volumen Effekt haben.
Am Standort in Prenzlau war zunächst von einem Umbau der bestehenden Trocknungskapazitäten und im Halbjahresbericht von Überlegungen zu einem Sprühturm-Neubau die Rede. Welche Gründe führten dazu, dass in Prenzlau vorerst keine Babynahrung produziert wird?
Hier haben wir es wirklich mit einem Glücksfall zu tun. Als wir 2013 den zukünftigen Kapazitätsbedarf errechneten, basierte dies auf den damaligen Forecasts unserer wichtigsten Kunden im Bereich Baby Care. Nun muss man wissen, dass unsere erfolgreichsten Kunden relativ junge Unternehmen sind, die noch nicht ewig in diesem Business tätig sind. Wir mussten dann im letzten Jahr feststellen, dass die Forecasts von damals etwa 10’000 Tonnen zu tief waren; notabene alles Kunden, welche die Schweizer Herkunft als Marketinginstrument verwenden. Somit war der ursprünglich angedachte Umbau des vorhandenen Turms in Prenzlau nicht mehr opportun, da dieser zu klein war. Eine alternative Grossinvestition in einen grösseren Turm wäre in einem Werk, wo noch nie Babynahrung hergestellt wurde, schlicht zu riskant. Zudem wuchs die Anzahl der Kunden am schnellsten, die Produkte mit Schweizer Herkunft bevorzugen.
Parallel dazu haben wir in unserer Strategie 2016 – 2020 eine Produktoffensive definiert, die das margenschwache Magermilchpulver durch Base Powder und Instant Milchen ersetzen soll. Beide Produkte lassen sich mit wenigen Modifikationen auf dem bestehenden Turm in Prenzlau herstellen. Die Entscheidung für diesen Strategiewechsel ist deshalb sehr einfach gefallen, da dies den Markterfordernissen mit Abstand am besten entspricht.
Muss wegen dieser Planänderung damit gerechnet werden, dass der Reingewinn in Prozenten des Produktionserlöses nicht, wie kommuniziert, ab dem Geschäftsjahr 2017 ansteigen wird?
Diese Planänderung wird keinen negativen Einfluss auf die Gewinnentwicklung haben; im Gegenteil, wir können damit die Rentabilisierung des Werkes in Prenzlau beschleunigen.
Die Baby Care-Sparte hat ein Jahr ohne Wachstum hinter sich. Wann ist in diesem Bereich wieder mit Wachstum zu rechnen?
Hier sind wir, wie bereits mehrmals erwähnt, an unsere Kapazitätsgrenzen gestossen. Mit dem bestehenden Geschäftsmodell werden wir ab 2017 wieder wachsen können. Gelingt uns die Vorwärtsintegration, wird bereits im laufenden Geschäftsjahr ein beachtlicher Sprung möglich sein. Nicht zu vergessen ist, dass ohne Wechselkurseinwirkung umsatzmässig ein Wachstum stattgefunden hätte.
Ein sehr wichtiges strategisches Projekt ist die Vorwärtsintegration. Wie weit ist diese fortgeschritten?
Dieses Projekt ist schon weit fortgeschritten. Wir gehen davon aus, dass wir demnächst Konkreteres kommunizieren können.
Weshalb fokussiert sich die HOCHDORF-Gruppe bei der Vorwärtsintegration auf die Märkte Asien und die MEA-Region? Welche wichtigsten Eigenheiten dieser Märkte müssen beachtet werden?
Die Märkte in Asien sind natürlich durch ihre schiere Grösse sehr attraktiv, aber entsprechend hart ist auch der Wettbewerb. Dazu kommen Marktrisiken; in China z. B. muss man neben einer doch hohen Rechtsunsicherheit auch die immensen Kosten der Marktbearbeitung beachten.
Wir betrachten die asiatischen Märkte als attraktiv und werden dort auch aktiv bleiben; bei einer Vorwärtsintegration stehen allerdings die MEA-Märkte im Vordergrund. Diese Märkte sind zwar kleiner, aber für uns zugänglicher und mit tendenziell weniger Risiken behaftet.
Wie will die HOCHDORF-Gruppe ein mögliches Zielunternehmen integrieren und auf die spezifischen Eigenheiten des Marktes eingehen?
Hier gibt es einen ganz einfachen Grundsatz: «Never stop a running engine.» Bei den Integrationskandidaten handelt es sich um sehr erfolgreiche Unternehmen, die marktseitig genau wissen, was sie tun. Diese Unternehmen müssen marktseitig genauso weiter funktionieren können; unsere Aufgabe wird es sein, im administrativen Bereich mehr Struktur zu schaffen und dieses Geschäftsmodell in neue Märkte zu tragen. Für Letzteres haben wir eigens die Funktion Global Marketing & Sales geschaffen.
Im Halbjahresbericht wurde auch das Projekt Kid’s Food kurz erwähnt. Was genau verbirgt sich hinter diesem Projektnamen und welche Chancen verspricht sich die HOCHDORF-Gruppe davon?
Das Projekt «Kid’s Food» soll unsere Produktpalette von der reinen Babynahrung in den Bereich Toddlers und Kinder verlängern. Dass gesunde Babynahrung wichtig für die Entwicklung eines Kindes ist, hat mittlerweile jeder begriffen und die Anbieter haben sich entsprechend aufgestellt. Es gibt heute ein breites Sortiment an gesunder Babynahrung auf dem Markt. Betrachtet man aber die Ernährung nach dem Babyalter, sind wir der Meinung, dass hier der Markt an gesunden Nahrungsmitteln unterentwickelt ist. Solche Produkte müssen nicht nur gesund sein, sondern auch schmecken. Wir beobachten ein starkes Bedürfnis an solchen Produkten und sehen hier das ganz grosse Potential, Babys bis ins Toddler- und Kindesalter bei ihrer Ernährung zu begleiten.
Die HOCHDORF-Gruppe verfolgt im Moment mehrere herausfordernde Projekte. Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten Risiken, mit denen sich HOCHDORF auseinandersetzen muss?
Bei den Akquisitions- und Integrationsprojekten beurteile ich die Risiken als recht überschaubar. Bei den Investitionsprojekten v. a. in die erweiterte Kapazität für die Produktion von Babynahrung sehe ich in der Erweiterung unserer Organisation die Hauptherausforderung. Uns muss klar sein, dass wir ca. 40 – 50 neue Arbeitsplätze schaffen und nahe am Pharmastandard produzieren müssen; dies wird uns alle bis an unsere Grenzen fordern.
Neben diesen Projekten läuft das Tagesgeschäft weiter. Wie präsentiert sich die Auftragslage in den einzelnen Geschäftsbereichen?
Im Bereich Dairy Ingredients ist die Lage stabil. Alle wichtigen Verträge konnten im 2016 verlängert werden; es ist mit keinen Überraschungen zu rechnen. Was uns sehr freut, ist, dass wir einige interessante zusätzliche Verträge abschliessen konnten.
Bei Baby Care könnte die Situation schon bald als dramatisch bezeichnet werden. Einige Kunden haben schon per Mitte 2016 ein Bestellvolumen wie in ganz 2015. Genau zu beobachten gilt es die Situation in China. Es könnte durchaus sein, dass die maximale Anzahl an Marken je Hersteller begrenzt wird. Ein eventueller Rückgang in China würde aber mit anderen Aufträgen bei weitem überkompensiert.
Bei Cereals & Ingredients erwarten wir keine Überraschungen. Wir haben in Marbach im Moment noch ein Mengenproblem; hier haben wir aber diverse Massnahmen eingeleitet, die eine Verbesserung versprechen.
2015 wurde auch eine neue Strategie festgelegt. Welches sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Kernpunkte?
Unsere Vision ist es, ein globaler Nischenplayer in den jeweiligen Premiumsegmenten zu werden, mit signifikant überdurchschnittlicher Profitabilität. Neben der nach wie vor zu steigernden Kosteneffizienz verfolgen wir die zwei Hauptstossrichtungen der Produktoffensive und der mindestens partiellen Entwicklung in Richtung eines Business-to-Consumer-Unternehmens. Letzteres beinhaltet nicht nur die Vorwärtsintegration, sondern auch die Entwicklung und Vermarktung von Produkten, bei welchen wir heute nur die Ingredienzien liefern. Dies alles soll schwerpunktmässig in schnell wachsenden und ungesättigten Märkten stattfinden; also in den APAC- und MEA-Regionen.