«Mit der Vorwärtsintegration sind wir nun auch verantwortlich für Marken.»
Dr. Thomas Eisenring, das Geschäftsjahr 2016 ist Geschichte. Wie sind Sie mit dem Geschäftsjahr ganz allgemein zufrieden?
Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden. Ich bin aber der Meinung, dass wir noch wesentlich besser hätten abschliessen können.
Welche Umstände verhinderten ein noch besseres Resultat?
Es ist kein Geheimnis, dass wir es in der EU mit sehr schwierigen Marktbedingungen zu tun hatten; davon sind auch wir nicht verschont geblieben. Wir haben dort die Volumina zurückgefahren, um Schlimmeres zu vermeiden. Zudem fielen Restrukturierungskosten bei der Marbacher Ölmühle an, mit denen wir so nicht gerechnet haben.
Trotz der schwierigen Marktbedingungen war das finanzielle Resultat der HOCHDORF-Gruppe so gut wie noch nie in ihrer Geschichte. Welche Faktoren haben zu diesem hervorragenden Ergebnis geführt?
Wichtigster Faktor war ganz bestimmt das starke Ergebnis der HOCHDORF Swiss Nutrition. Hier haben alle drei Geschäftsfelder ihren Beitrag zu dem guten Ergebnis beigesteuert, wobei die Ergebnisse der beiden Geschäftsfelder Cereals & Ingredients und Baby Care deutlich über den Erwartungen lagen. Wir konnten unsere Produktivität nochmals steigern.
Welches waren in Kürze die jeweils spezifischen Herausforderungen in den drei Geschäftsbereichen Dairy Ingredients, Baby Care sowie Cereals & Ingredients?
Im Bereich Dairy Ingredients hatten wir in der Schweiz im zweiten Halbjahr etwas wenig Milch; es war nicht immer einfach, alle Kundenverträge zu erfüllen. In der EU hatten wir es mit extremen Preisschwankungen z. B. im Bereich Rahm und Butter zu tun, was ein profitables Wirtschaften vor allem im zweiten Halbjahr verunmöglichte.
Im Bereich Baby Care hatten wir auch dieses Jahr wieder mit unseren Kapazitäten zu kämpfen, aber wir konnten eine Monatsproduktion mehr herstellen und verkaufen als im Vorjahr; da haben alle einen guten Job gemacht. Ansonsten hielt uns das neue Food Safety Law in China in Atem, das den Import von Babynahrung massiv erschweren wird.
Im Bereich Cereals & Ingredients stehen wir vor sehr wichtigen Entscheidungen. Im Jahr 2016 hat Cereals & Ingredients ein hervorragendes Ergebnis abgeliefert; gewisse Verträge laufen aber in den kommenden Jahren aus und wir machten schon in 2016 diverse strategische Überlegungen, wie der Bereich in Zukunft weiterentwickelt werden soll. Wenn wir hier das richtige Geschäftsmodell fahren, kann das eine grosse Sache werden.
Vorwärtsintegration ist ein wichtiger Bestandteil der Strategie und mit der Mehrheitsbeteiligung an Pharmalys wurde ein erster Schritt getan. Wie wirkt sich diese Mehrheitsbeteiligung auf HOCHDORF aus?
Mit der Übernahme der Mehrheitsanteile der Pharmalys stehen wir nun auch in der Verantwortung für die Marken «Primalac» und «Swisslac»; die Verantwortung ist also signifikant gestiegen. Wir werden uns auch um diese Marken kümmern müssen und diese weiterentwickeln; das ist neu für HOCHDORF. Auf der anderen Seite werden wir uns margentechnisch in ganz anderen Dimensionen bewegen; ich gehe schon dieses Jahr von einer deutlichen Erhöhung des absoluten EBIT aus.
Wie planen Sie die Integration der Pharmalys Unternehmen in die HOCHDORF-Gruppe? Und welche neuen Aufgaben muss HOCHDORF damit konkret bewältigen?
Grundsätzlich mag ich diesen Begriff «Integration von Pharmalys in die HOCHDORF-Gruppe» nicht. Pharmalys wird nicht HOCHDORF oder umgekehrt. Hier entsteht ein neues Unternehmen, das Werte für alle Anspruchsgruppen generieren will. Wichtig ist, dass wir alle administrativen Prozesse bei HOCHDORF integrieren und sicherheitsrelevante Aspekte zentral gesteuert und überwacht werden. Auch unsere Corporate Governance muss natürlich für alle gelten. Wenn es aber z. B. darum geht, Babynahrung in Ländern der MEA Region zu vermarkten, dann sind das Prozesse, die wir kaum anrühren werden.
Können die Distributionskanäle von Pharmalys für weitere HOCHDORF Produkte verwendet werden? Wenn ja, für welche Produkte ist das vorgesehen?
Ja, und hier sind die Arbeiten schon in vollem Gang. Eines der wichtigsten Projekte ist für mich die Entwicklung von Instant-Milchen, die auch nach dem Babyalter konsumiert werden. Hier liegt allerdings noch einiges an Arbeit vor uns. Im April wird HOCHDORF South Africa eine Diabetikerschokolade marktreif haben, die dann auch über das Distributionsnetzwerk von Pharmalys vertrieben wird. Im Bereich Cereals & Ingredients gibt es zahlreiche Produkte, die sich für den Vertrieb über dieses Netzwerk eignen; dazu gehören z. B. unsere Gesundheits-Crisps und Nahrungsergänzungsmittel.
Eine Internationalisierung hat immer auch eine menschliche Komponente. HOCHDORF entwickelt sich zu einem interkulturellen Unternehmen. Inwiefern wird dies die Unternehmenskultur von HOCHDORF beeinflussen?
Wir sind heute schon ein interkulturelles Unternehmen; klar wird das intensiver, ist aber für uns grundsätzlich nichts Neues. Viel interessanter sind die unterschiedlichen Sichtweisen durch die verschiedenen Geschäftsmodelle. Als wir etwa die Pressemitteilung für das Closing des Deals formulierten, achtete ich z. B. auf aktienrechtliche Korrektheit, während Amir Mechria, Geschäftsleiter von Pharmalys, das auch als Werbebotschaft betrachtete.
Stichwort Strategie 2016 – 2020: Wie zufrieden sind Sie mit der Umsetzung – einmal abgesehen von der Vorwärtsintegration?
Mit dem Ergebnis unserer Produktoffensive bin ich nicht ganz zufrieden, auch wenn wir gewisse Teilerfolge feiern können. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier mit knappen Ressourcen Dinge tun, die wir noch nie getan haben und dies in einem technischen Umfeld, mit dem wir noch nicht ganz vertraut sind. Aber Rom wurde ja auch nicht an einem Tag gebaut.
Die Bereiche Dosenlinie und Turm 8 haben sich sehr gut entwickelt. Am Niro 4 in Hochdorf haben wir die Auslastung zugunsten der Food Safety etwas zurückgeschraubt, was aber gemessen am guten Endprodukt auch eine Effizienzsteigerung ist. Wo ich noch Potenzial sehe, ist im Einkauf; dort müssen wir noch besser werden.
Welche strategischen Schwerpunkte setzt HOCHDORF im Jahr 2017?
Grundsätzlich führen wir unsere Strategie 2016 – 2020 konsequent weiter. In 2017 sehe ich die Schwerpunkte beim Cross-Selling im Pharmalys Netzwerk, in der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells im Bereich Cereals & Ingredients und in der konsequenten Profitabilisierung des Bereichs Dairy Ingredients.
Im Bereich Babynahrung investiert HOCHDORF in eine neue Sprühturmlinie zur Herstellung hochwertiger Babynahrung. Die Anlage soll im 1. Quartal 2018 der Produktion übergeben werden. Wann wird die neue Sprühturmlinie voll ausgelastet sein? Welche Massnahmen werden getroffen, damit der Turm möglichst rasch gefüllt werden kann?
Wir gehen davon aus, dass der neue Turm im Jahr 2022 ausgelastet sein wird. Wir können bestimmte Projekte ausbauen, wie z. B. den Tender in Ägypten, aber wir haben auch eine vielversprechende Projektpipeline. Zudem haben wir die Stelle eines Chief Sales Officer geschaffen, der sich um nichts anderes als die Neukundenakquisition kümmert.
Wo liegen 2017 die grössten Chancen, Risiken und Herausforderungen im Bereich Baby Care?
Grundsätzlich haben wir mit der Übernahme der Mehrheitsanteile der Pharmalys die grösste Chance in diesem Bereich gepackt.
Eine Herausforderung, die wir jedoch gut bewältigen können, gilt den Rezepturen. Wir müssen sie so verändern, dass sie den neuen Bestimmungen für den EU-Raum und dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechen. Im Fokus stehen bei uns ebenfalls die Kapazitätssteigerung, die Prozessoptimierung der Anlagen sowie die Vorbereitungsarbeiten zur Prozessentwicklung der neuen Anlage.
Nicht ganz ohne ist auch die neue Regulierung in China. Sie sieht vor, dass zukünftig jede im Markt erhältliche Marke ein Bewilligungsverfahren durchlaufen muss. Dieser Prozess wird in diesem Jahr eingeführt und beinhaltet einige Unsicherheitsfaktoren. Hinzu kommt, dass das Registrierungsverfahren für jede einzelne Marke relativ aufwändig ist.
Im Bereich Dairy Ingredients will HOCHDORF vermehrt in Spezialpulver investieren, wie zum Beispiel instantisierte Milchpulver. Wo werden diese Produkte hergestellt und für welche Märkte sind diese interessant?
Weniger anspruchsvolle Pulver für industrielle Anwendungen können wir in Prenzlau herstellen. Für höherwertige Pulver im Business-to-Consumer-Bereich werden wir voraussichtlich bestehende Spezialtürme von Partnern nutzen können. Es gibt genug Sprühkapazität auf dem Markt und wir brauchen vorerst keine eigene aufzubauen.
Die ausländischen Dairy Ingredients Werke spürten 2016 einen starken Gegenwind. Welche Massnahmen werden getroffen, damit diese Werke auch zukünftig entsprechende Marktbewegungen erfolgreich bestehen können?
Grundsätzlich ist es in der EU sehr schwierig, auf Marktbewegungen schnell genug zu reagieren, vor allem wenn die Ausschläge so extrem sind wie letztes Jahr. Da wir nicht genossenschaftlich organisiert sind und nichts über den Milchpreis ausgleichen können, gibt es nur eine nachhaltige Lösung: Wir müssen Produkte mit höherer Wertschöpfung produzieren.
Sie wollen im Bereich Cereals & Ingredients verstärkt in Kids Food und eigene Marken investieren. Was sind die nächsten Schritte und was ist im laufenden Geschäftsjahr zu erwarten?
Wir brauchen für den Bereich Cerelas & Ingredients einen Standort in der EU. Wir haben hier in der Schweiz mehr als die doppelten Kosten als etwa in Deutschland. Zudem müssen wir für Kids Food-Produkte möglichst alle Technologien im eigenen Haus haben, vorzugsweise sogar im selben Werk. Wir sind hier in der Evaluationsphase verschiedener Alternativen und ich hoffe, dass wir dieses Jahr Nägel mit Köpfen machen können.
Seit dem Jahr 2015 gehört die Marbacher Ölmühle zur HOCHDORF-Gruppe. Wie hat sich das Werk in die Gruppe integriert und was steht noch an?
Die Marbacher Ölmühle war in 2016 eine ziemliche Baustelle; ein gutes Beispiel dafür, dass Akquisitionen trotz seriöser Due Diligence so ihre Tücken haben können. Wir haben im Wesentlichen die halbe Belegschaft ausgetauscht und die Auftragsstruktur komplett geändert. Mit dem jetzigen Set-up bin ich der Meinung, dass die Marbacher Ölmühle die Ziele erreichen wird.
Mit der Vorwärtsintegration haben sicher auch die Risiken der HOCHDORF-Gruppe zugenommen. Welche sind aus Ihrer Sicht die grössten Risiken, mit denen sich die Gruppe auseinandersetzen muss?
Diese Frage wird mir oft gestellt und ich habe da meine eigene Meinung. Grundsätzlich ist es richtig, dass unsere Akteure jetzt über die ganze Welt verstreut sind und wir die Verantwortung für unsere eigenen Marken tragen. Das klingt zunächst einmal riskanter als früher. Es hat sich aber mit der Vorwärtsintegration auch etwas anderes wesentlich verändert: Früher war Pharmalys einfach ein Kunde von uns und unsere Einflussmöglichkeiten minimal. Heute haben wir direkten Einfluss auf sämtliche Aktivitäten von Pharmalys und können die ganze Entwicklung mitgestalten; mir ist da wesentlich wohler dabei.
Die grössten Risiken sehe ich ganz woanders. Nach dem Entscheid, in der Schweiz statt in Deutschland in mehr Kapazität für die Produktion von Babynahrung zu investieren, muss ein neues Geschäftsmodell für unser Werk in Prenzlau gefunden werden. Heute operiert das Werk mit beinahe 200 Mio. Umsatz hart an der Nulllinie, das ist riskant. Zudem bereitet mir der Arbeitsmarkt in der Schweiz Sorgen. Es wird immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden, das in einem Vierschichtbetrieb arbeiten möchte.
Neben den strategischen Projekten läuft das Tagesgeschäft weiter. Wie präsentiert sich die Markt- und Auftragslage kurz zusammengefasst in den Geschäftsbereichen?
Die Auftragslage ist in allen Bereichen gut. Aufträge reinholen, ist in der Regel nicht das Problem; die viel entscheidendere Frage ist die nach dem Preis. Ich erwarte weder bei der Menge noch beim Preis Überraschungen für das Jahr 2017.